Hügel, Sonne, Apfelstrudel

Hügel, Sonne, Apfelstrudel

Der 5. Rimbach-Lauf war eine feine Sache – Drama auf der 5-KM-Strecke: Denise verschenkt sicheren Sieg

Es geht um ein Jubiläum, den 5. Rimbachlauf am 10. Oktober 2021. Mir wurde zugerufen, ich möge doch darüber mal einen „normalen Laufbericht“ schreiben. Normal also. Im alten Weitzer-Style. Soso. Das ist provozierend. Dann beginnen wir doch gleich mit einem Spoiler, einem Hinweis, der dem Leser jede Spannung versaut.

Spulen wir mal gleich bis zum Ende des Laufes vor. Auf einer Bierbank sitzt Denise mit glasigen Augen, stiert auf den Boden und sagt: „Ich habe es verkackt.“ Denise hatte bei auf der 5-KM-Strecke bei den Frauen geführt und trotzdem den sicheren Sieg vergeigt.

Es fehlten 20 Sekunden. 20 Sekunden! Statt Gold nur Bronze, statt Freude nur Frust, Enttäuschung, Tränen und Wut. Unerklärlich, unverzeihlich, das schreit nach schonungsloser Analyse. Das wird auf der Weihnachtsfeier aufzuarbeiten sein.

Gut. Kommen wir jetzt zu dem Lauf selbst. Herrliches Herbstwetter, wie bestellt. Wegen irgendeiner Priesterweihe wurde der Start erst auf 13 Uhr angesetzt. Seit seiner Premiere genießt der Rimbachlauf bei uns Schwindegger Läufern Kult-Status. Das Ganze ist ein Projekt der Familie Schwarzenböck samt Nachbarn und Freunde. Der Idealismus und die Begeisterung, die sie in diesen Lauf stecken, sind wirklich bemerkenswert.

„Weltruhm und große Teilnehmerzahlen sind uns egal. Es geht um Freu(n)de am Laufen.“ So schreiben es die Veranstalter, das ist die Kernidee. Werbung ausschließlich über Soziale Medien und Mundpropaganda. Die Strecke wird vorab mit der GoPro abgefahren, das Video zur Einstimmung auf YouTube eingestellt. Sehr schön.

Noch schöner ist, dass es beim Rimbachlauf neben dem sportlichen Wettbewerb, YouTube, Drohne und GoPro vor allem um die Begegnung, das Miteinander geht. Aus Läufern sollen Freunde werden. Der Spaß geht tatsächlich nach dem Lauf erst richtig los. Es gibt alles, was Läuferinnen, Läufer, Fans und die Familien brauchen. Bier, Spaghetti, Fritten, Kaffee, Kuchen und so weiter.

Berüchtigt ist der Rimbachlauf auch wegen seiner harten Strecken. Das Ganze ist eher ein Crosslauf. Erstmals wurde der Start nach Obertaufkirchen verlegt. Eine Woche vor dem Rennen sind Georg, der Weiße Keniate und ich die Hauptstrecke mal abgelaufen. Da war klar, wird eine harte Sache.

Ergebnis des Testlaufs: Nach gut der Hälfte kommt ein langer Anstieg. Die Schlüsselstelle, darauf baute ich meine Rennstrategie. Hier werde ich attackieren, mich absetzen, leichtfüssig meinen Verfolgern enteilen.

Für Laien, die hier mitlesen: Wer diese 10-KM-Strecke unter 50 Minuten läuft, ist schon richtig super fit. Wer sie unter einer Stunde läuft, ist gut. Wer länger als eine Stunde braucht, ist ziemlich „lost“ (Rezo). Wer länger als 1:05 Stunde braucht, ist „todeslost“ (Rezo).

Nun dann. Kommen wir zum 10. Oktober. Knapp 60 Läuferinnen und Läufer hatten sich angemeldet. Rund um den sonnigen Start-Ziel-Bereich waren erfreulich viele SV Schwindegg-Jacken zu sehen. Unsere Laufgruppe schickte neun Läuferinnen und Läufer ins Rennen. Schon das war eine knallharte Ansage an die Konkurrenz.

Die Erwartungen waren extrem hoch. Ganz Obertaufkirchen war sich sicher, dass Denise das Frauen-Rennen gewinnt. Georg war im Hauptlauf schon mal Zweiter. Galt als Top-Favorit. Ein Podiumsplatz schien garantiert.

Die Stimmung vor dem Rennen war erstaunlich gelöst. Georg empfand es als euphorisierend, dass sie Lionel Ritchie spielten.

Voller Hoffnung stürzten wir uns ins Rennen. Der Start verlief absolut stressfrei und reibungslos. Das Feld stürmte erst einmal hinunter. Die Frauen –  Denise, Daniela, Heike, Silvie – waren erstaunlich flott unterwegs. Meine Rennstrategie sah vor, von hinten das Feld aufzurollen.

Die ersten 500, 800 Meter waren fast vergnüglich. Es wurde sogar geredet, gescherzt und gelacht. Dann kam der erste Hügel …

Springen wir jetzt vor zur Schlüsselstelle, den Todeshügel nach KM 5. Die schnellen Läufer sind längst durch. Jetzt kommen die, die nicht laufen, sondern eher wanken. Mit der Startnummer 481 quält sich ein gewisser Martin Armbruster über das ansteigende Geläuf. Das sieht nicht mehr rund aus, das sieht nicht mehr gut aus. Hören wir mal kurz in ihn rein:

„Röchel, röchel. Schnauf. AAAhhh, was für eine Qual. Röchel, röchel, schnauf, uii ist das hart. Wieso hört der Buckel nicht auf. Der Gelbe ist weg. Röchel, röchel, booahh, ich geh gleich. Besser: Ich gebe gleich auf. Da vorne geht schon einer. Ich gehe jetzt auch.

Hinter mir heißerer Atem, schlurfende Schritte. Röchel, röchel. Schnauf. Wenn das der Weiße Keniate ist, gebe ich auf. Nochmal lasse ich mir das L (steht für Loser, die Red.) von dem nicht zeigen. Röchel, röchel. Was ein Glück! Es ist nur eine Frau. Soll sie doch laufen. Mein Gott, schwitze ich. Die blöde Sonne – es ist alles so schrecklich.“

Den Rest können wir uns sparen. Schreiben wir lieber über den Michi, den Mann des Tages. Kam als einer der wenigen mit dem Fahrrad zum Start (klimaneutral, vorbildlich) – und das schweinsknapp. Fünf Minuten für anmelden, umziehen und warmmachen muss man auch erst einmal schaffen.

Im Unterschied zu einigen Wahnsinnigen im Feld (siehe oben) hatte Michi bescheidende, machbare Ziele. Er wollte nur unter einer Stunde laufen. So was macht einfach sympathisch.

Bemerkenswert ferner: Die Diana von unserem Lauftreff ging zum ersten Mal über die 5 Kilometer ins Rennen. Andi (Weißer Keniate) war zwar mit seiner Zeit noch im Todeslost-Bereich, zeigte aber deutlich ansteigende Form.

Wie schon beim Stadtlauf in Dorfen ging der Nepomuk gemeinsam mit seinem Vater Daniel auf die schwierige Strecke – und meisterte das bravourös. Kurz vor dem Ziel hatte der „Muk“ sogar noch die Power für einen Endspurt. Stark.

Dann war da noch Georg, der Problembär, das Sorgenkind. War mal Zweiter, wurde jetzt nur Neunter. Was soll man da schreiben? Ich zitiere jetzt mal den US-Läufer Scott Fauble, der seinen Marathon in Boston verkackt hat: “The word disappointed doesn’t feel strong enough.”

Nicht zu vergessen: die schönen Begegnungen im Rahmen des Rimbachlaufs. Die Chrissie und Eva waren da. Eva walkte sogar und wurde Zweite (bei den Walkern kenne ich mich nicht aus). Die Familie Seider war in Fanblock aktiv. Und eine deprimierende Begegnung gab es auch.

Mein Erzfeind, der Gelbe von Dorfen, war auch da. Habe ihn leider sofort erkannt. Es stellte sich heraus, dass er beim Rimbachlauf 2020 knapp vor mir war. In Dorfen nahm er mir eine Minute ab. In Obertaufkirchen trat er jetzt mit blauer Spiegelbrille und leuchtend orangem Trikot an.

Ja, und er hat einen Namen. Er heißt auch Martin und kommt aus Taufkirchen. Wir sind jetzt auf Strava vernetzt. Leider war er zwei Minuten schneller als ich.

Das einzige, was am Rimbachlauf irgendwie irritierend war: Beim Kinderrennen war ein Achtjähriger vorne, bog aber falsch ab. Er wurde überholt, trotzdem mit als Sieger gewertet. Bei den Frauen hatte die Orga aus Mitleid die Denise zunächst gar nicht gewertet, die Sylvie war kurzfristig Dritte. Dann tauchte Denise doch wieder als Drittplatzierte auf. Das soll einer verstehen.

Ich habe dann auch versucht, eine bessere Platzierung auszuhandeln – mit dem Hinweis, ich sei die erste halbe Stunde Richtung Dorfen gelaufen. Die Jury gab sich da erschreckend kleinkariert. Ich warte jetzt auf den Videobeweis von der Drohne.

Insgesamt eine tolle Veranstaltung. Hätte weit mehr Teilnehmer verdient. Und ja: Mein Duell mit dem Gelben geht weiter. Wir sehen uns am Simsee. Irgendwann schlage ich ihn.

Hier noch mal die Ergebnisse:

 

Frauen 5 KM

  1. Denise 34:46
  2. Sylvie 35:46
  3. Heike 35:47
  4. Diana 42:33

 

Männer 10 KM

  1. Michael 47:34
  2. Georg 50:33
  3. Martin 1:03:51
  4. Nepomuk 1:07:37
  5. Daniel 1:07:46
  6. Andi 1:08:05

 

Wertung Rimbachlauf:
Pro:

  • Beste Musik bislang – mit Lionel Ritchie
  • Preis-Leistungsverhältnis überragend. Für Startgeld gibt es ein Getränk plus Fritten oder Spaghetti
  • Gutes Bier
  • Anspruchsvolle, abwechslungsreiche Strecke mit tollen Ausblicken
  • Super Herbst-Wetter, ideale Lauftemperaturen
  • Man kann seine Platzierung im Ziel nachverhandeln
  • Der Apfelstrudel
  • Familiäre Atmosphäre
  • Von 16 Uhr an gab es Bier sogar gratis
  • Starke Schwindegger Präsenz
  • Moderator beschränkt sich auf das Wesentliche
  • Keine Ansprache von Bürgermeister, Landrat usw.
  • Ich weiß jetzt, dass der Gelbe auch Martin heißt.
  • Gute Einstimmung auf den Lauf mit Youtube-Video.
  • Nette Leute in der Orga und am Kuchenbuffet
  • Strecke perfekt markiert und ausgeschildert. Zudem Streckenposten.

 

Contra:

  • Kühler Wind
  • Man musste selbst Bänke und Tische Richtung Sonne schieben
  • Ergebnis-Listen-Mauschelei bei den Frauen auf 5-KM-Strecke
  • Es wird ohne Rücksicht auf Alter und Gewicht überholt
  • Strecke macht langsame Läufer noch langsamer
  • Unfreundlicher häuslicher Empfang. „Wo warst Du denn so lange? Du stinkst nach Bier.“
  • Lauf findet nur einmal im Jahr statt
  • Man darf beim Veranstalter nicht übernachten
  • Die legendäre Vorabend-Nudelparty fiel dieses Mal aus.
  • Mein Erzfeind, der Gelbe, war wieder da
  • Die ersten Männer auf der 5-KM-Strecke waren alle Schwarzenböcks. Merkwürdig.

 

Text: Martin Armbruster

Fotos: