Von Herbst – Blues keine Spur
Alzauenlauf am 8. November: Neun Schwindegger am Start, drei Podiumsplätze für unseren SV
Es war ja irgendwie klar, dass es so kommen wird. Chrissi hat mir jedenfalls untersagt, weitere persönliche Heldengeschichten (PHGs) zu schreiben. „Nicht immer nur ich“, sagte sie und stieß mir mit dem Zeigefinger immer wieder gegen die Brust. „Da müssen Namen auftauchen, andere Menschen, Mitläufer, das Team, verstehst Du? Nicht immer nur ich.“
Wir Hobby-Läufer haben schöne Ziele. Zum Beispiel den Trostberger Alzauenlauf am 8. November. Treffpunkt war wie üblich am Parkplatz vor dem Da Nino.
Günther O. und Christl waren natürlich als erste da. Die Vroni kam etwas später mit dem Auto. Der Inhalt des Warm-up-Gesprächs: Es ist kalt, mir geht es schlecht, ich habe die Handschuhe vergessen, Mist, ich hätte die dünne Laufjacke mitnehmen sollen, wieso habe ich mich überhaupt angemeldet?, was soll ich da?, ich habe keine Lust zu laufen, es ist alles so schrecklich, die Sonne wird nie mehr scheinen, und Trump ist immer noch da.
Günther versuchte, die Stimmung aufzuhellen. Er sagte, die Strecke sei wirklich schön, aber wer glaubt im Jahr 2025 noch an irgendwelche Versprechen? Dann kamen die Frauen aus Obertaufkirchen dazu. Die autoritäre Chrissi und die Gabi hatten erschreckend gute Laune. Wir verteilen uns auf die beiden Autos. Denise sollte sich später unter Tränen beklagen, dass sie immer nur die Depressiven mitnehmen muss.
So lässt sich denn festhalten: Insgesamt neun Schwindegger gingen an den Start. Ein Drittel davon sollte es dann auf das Podium schaffen, was eine irre gute Quote ist. Erstmals war Rainer mit dabei. Zudem fuhr ein Fanblock (Christl, Sandro) mit. Ein weiterer Depressiver (Georg) verfolgte das Rennen verletzungsbedingt virtuell. Machte in Summe 12 Läufer und Fans.
In Trostberg war mächtig Betrieb. 411 Teilnehmer, Rekord. Offenbar geht es nach dem Corona-Knick mit den Laufveranstaltungen generell wieder kräftig bergauf. Zum Glück ging die Startnummer-Ausgabe absolut stressfrei, ein Laufshirt gab es auch, aber nur für die Frühanmelder.
In der Umkleide erlebte ich, wie stressig schon das Umziehen sein kann. Ständig suchte ich was: Wo ist das fucking Startnummern-Band? Eben hatte ich es noch in der Hand und so weiter. Dann der ständige Blick auf die Uhr. Wir mussten noch das Gruppenfoto machen. Nach gut zehn Minuten Kampf war ich endlich so weit. Race ready. Also auf in die Kälte raus!
Dann Überraschung: Zwischen Kuchenbuffet und Glastür hatte sich Erwin F. versteckt. Immer, wenn Erwin mich sieht, weiß er: Heute brennt der Asphalt, es herrschen die Gesetze des Urwalds – entweder er oder ich. Ich blickte Erwin lange in die Augen. Seine Unterlippe zitterte, sein flackender Blick, schon vor dem Start ein gebrochener Mann. Das baute mich richtig auf.
Christl machte von uns Fotos. Viel Zeit blieb nicht mehr, ein bisschen Traben fühlte sich ganz gut an. Dann mussten wir alle schon auf die Tartanbahn, man spielte das doch etwas abgenudelte „Highway to Hell“, dann gab so eine Art Startschuss und schon ging es los mit erstaunlich wenig Gedränge während der ersten beiden Runden auf der Bahn.
Mir ging es erstaunlich gut (PHG), dank der Gewissheit, dass hinter mir der Erwin verendet. Leider spielten sie auf der zweiten Runde das unsägliche „Major Tom“, dann ging es links raus auf die Strecke. Der Auftakt für den Lauf war schon einmal interessant. Musikalisch wurde es dann besser. Das „Rock You like a Hurricane“ trug überraschend weit, der Gitarrensound ist wirklich super.
Größte Überraschung: Ein 10er ist immer hart, aber es machte tatsächlich Spaß. Auf der Strecke ging es leicht wellig dahin, mal einen kleinen Anstieg hoch, dann wieder flott runter und an einigen Stimmungsinseln vorbei. So etwa bei Kilometer 2 rief uns einer zu: „Gleich habt Ihrs!“, ein blöder Witz, aber was solls? Immer um mich rum war ein Typ mit Schnauzer und eine Läuferin aus Mettenheim.
Unser Günther hatte nicht übertrieben: Die Strecke war wirklich schön. So gegen Halbzeit fragte mich die Frau aus Mettenheim überraschend: „Martin, sollen wir Hand in Hand ins Ziel einlaufen?“, Sie entpuppte sich als Susan D. Mit ihr war ich schon beim Marktlauf in Velden zusammengelaufen. Aber leider war mir schon da klar, das wird mir zu schnell.
So bei Kilometer sechs riefen uns Kinder zu: „Schneller“, wenn ich das nur gekonnt hätte. Ganz am Anfang hatte ich Theo und unseren Günther überholt, danach habe ich eine Ewigkeit nichts von den anderen Schwindeggern gesehen. Bis Kilometer sieben liefen Susan und ich Seite an Seite, was ich super fand, auch der Schnauzer war noch um uns rum. Die Strecke zurück fand ich noch schöner, wieder kleine Wellen, über eine Brücke drüber, dann direkt an einem Flusskanal entlang.
Bei Kilometer acht zog die Susan davon, wenig später hörte man den Stadionsprecher schon. Kurz nach dem Kilometer Schild „9“ hörte ich, wie die Vroni schon ins Ziel lief. Chrissi berichtete später (ja, ich bemühe mich um andere Namen), dass sie an der Stelle gesehen hat, sie müsse richtig Gas geben, um noch unter 50 Minuten zu kommen. Hat sie dann auch geschafft. Wurde später aber in der Altersklasse trotzdem nur Vierte, 2024 war sie noch als Zweite auf dem Podium gewesen.
Weitere Enttäuschung: Die Susan war weg, ich hätte gerne mit ihr Hand in Hand und so weiter. Ich war dann schon auf der Tartanbahn als der Schnauzer von hinten kam und sagte: „Los gemeinsam ins Ziel“, war mir recht, ich stellte mich darauf ein. 100 Meter vor dem Ziel sprintete der Schnauzer dann überraschend los. Ich konnte nicht mehr folgen. Typisches Männerverhalten eben, spätpubertär auch in der M60.
Was schön war: Es gab da nach dem Rennen ein großes Kuchenbuffet mit fairen Preisen. Leider waren die Räume der Vereinsgaststätte für die Siegerehrung zu klein. Gabi, Chrissi, Vroni und ich hatten dann den Versuch aufgegeben, uns da noch reinzuquetschen. Wir blieben im Vorraum an der Theke und haben mit dem Theo geredet. Die Gabi hatte als ehemalige Lauf-10-Teilnehmerin das Ziel, eine Stunde zu unterbieten, was sie locker geschafft hat.
Auch bei Vroni hatte sich die Stimmung längst ins absolut Positive gedreht, was bei einer 53er Zeit auch absolut verständlich ist. „Hätte nie gedacht, dass es mir so gut geht“, sagte sie. Wir machten uns dann lustig, über die Erholungszeit, die uns der Garmin vorschlägt. Bei mir waren es 55 Stunden, bei der Vroni 80. Überdies freute sich die Vroni schon auf die kommenden Urlaubswochen auf den Kapverdischen Inseln.
Die Teilnahme an der Siegerehrung hätte sich aus Schwindegger Sicht natürlich gelohnt: Unsere superschnelle Christina Holler (hatte im Juli schon den Halbmarathon in Dorfen gewonnen), war souverän Erste in der Altersklasse W35 mit einer Bombenzeit von 43 Minuten. Nur wenig dahinter (45 Minuten und noch was) kam unsere Seriensiegerin Heike ins Ziel – Gesamt neunte und Gewinnerin in der W50.
Wir Männer waren nicht annähernd so gut. Rainer wollte nur bei einer guten Zeit bis zur Siegerehrung bleiben. Fuhr aber dann schon heim (wieso eigentlich? 50 Minuten ist doch super). Ich (schon wieder ich) hatte es wenigstens unter einer Stunde geschafft, den Erwin erneut gedemütigt. Aber zum Glück haben wir unseren Günther O. Für einen Podestplatz ist er eine sichere Bank. Dieses Mal war es Rang drei. Das freute nicht nur die Christl.
Nach der Siegerehrung fuhr das Team zur „Hex’n Küch“ zum gemeinsamen Essen. Gemütlich ist es da, die Grundidee, den ganzen Betrieb am Hexen-Motiv aufzuhängen, ist auch nett. Allerdings lag über meinen „Zauberspatzn“ ein böser Fluch. Für diese Kässpatzen hätten sie den Koch im Allgäu oder in der Schweiz gekreuzigt. Bei den anderen war das Essen aber anscheinend ganz gut. Fazit: Die Fahrt zum Alzauenlauf hat sich wirklich gelohnt.
Ergebnisse in der Übersicht:
W35
Christina Holler, Platz 1 AK, Frauen gesamt Rang 4 43:40
Christina Hacker, Platz 4 AK, 49:55
Vroni, Platz 9 AK, 53:23
Gabi, Platz 14 AK, 56:33
W50
Heike, Platz 1 AK, Frauen gesamt Rang 9, 45:29
Denise, Platz 9 AK, 1:03:52
M60
- Martin A. 57:02
M65
- Rainer 50:59
M75
Günther O., Platz 1 AK, 1:03:09
Fanblock: Sandro, Christl, Georg (ohne Wertung)
Wertung Alzauenlauf:
Pro:
- Schöne, abwechslungsreiche Strecke
- Super motivierender letzter Kilometer
- Warme Duschen trotz vieler Leute
- Großes Kuchenbuffet
- Idealer Termin zur Motivation für das Wintertraining
- Der SV Schwindegg ist da bekannt
- Man trifft auf passende Aufbaugegner (Erwin F.)
Contra:
- In Trostberg ist es kalt, es scheint nie die Sonne
- Seltsame Fans an der Strecke
- Depressive Läufer im Feld
- Profilierungssucht von den Männern im Feld
- Mit 22 Euro Startgeld kein Schnäppchen
- Gedränge in den Umkleiden und bei der Siegerehrung
- Kaffee im Kunststoffbecher
- Musikauswahl zum Teil unterirdisch, es gibt da doch Listen auf Spotify
- Sie können nicht kochen in Trostberg
Text: Martin A.
Bilder: Christl







