Steigende Form
„Landshut läuft“ am 28. April: Eindrücke und Bewertungen.
Jetzt tröpfelts auch noch. Hat mir gerade noch gefehlt. Ja, es ist immer wieder schön, wenn einem bei Kilometer 16 der Dampf ausgeht. Man verdrängt das ja so gerne, wie sich das am Ende anfühlt, wenn man mit zu wenigen Trainingskilometern und langen Läufen spontan bei einem Halbmarathon an den Start geht: ziemlich schrecklich.
Banger Blick nach hinten. Ist der Weiße Keniate schon in Sicht? So weit ich bekommen hatte, sind nur wir zwei als Vertreter des Läufermekkas Schwindegg auf der Halbmarathon-Strecke unterwegs. Ich hatte mich kurzfristig entschlossen und bin wieder gelaufen wie ein Ideot. In Landshut haben sie jetzt auch Paceläufer. Die starten mit so roten Herzchen mit der Zielzeit drauf.
Blöd wie man als alternder Läufer halt so ist, musste ich natürlich unbedingt bei einem Herzchen dran bleiben – beflügelt von der Gewissheit, dass der Weiße Keniate hinter mir ist. Bei Kilometer 9 habe ich dann erkannt, was ich schon bei Kilometer 1 hätte wissen müssen: dass der Typ der mit dem roten Herzen für mich zu schnell ist. Es kam das Übliche: Mayday, mayday, we’re going down fast.
Na, gut, aber damit lässt es sich leben. Am Streckenrand mutieren ein paar Sanis zu Cheergirls und wedeln mir mit ihren Glitzerbäuschchen eine Spur von Zuversicht zu. Wirklich nett. Hilft mir genau für fünf Meter, dann verfalle ich wieder in den Kriechgang.
Ist schon wieder lustig zu sehen, wer mich überholt. Eigentlich alle. Nur die Frau vor mir, die mit den lustigen schwarzen Zöpfen, muss ähnlich müde sein. Da hänge ich mich dran, die wird jetzt niedergekämpft.
Die Rahmenbedingungen dagegen erfreulich. Im Unterschied zu mir lernen die Veranstalter dazu. 2018 – da war es auch deutlich wärmer – kamen die Helfer an zwei, drei Getränkeausgaben mit dem Wasser nicht hinterher. Diese Engsstellen hat man beseitigt. Mehr Wasser, Iso, Banane und Helfer, alles kein Problem mehr.
Auffallend ferner, dass es jetzt mehr Stimmungsinseln auf der Strecke gibt. Auch der Start- und Zieleinlauf ist in Landshut schön gelöst. Kein Gedränge, das Feld kommt super in Fluss.
Super auch – außer meiner Form – das Material am Handgelenk. Auf Anraten zwei österreichischer Schwätzer in Linz (siehe Bericht) habe ich mir die App „Racing Screen“ auf den Forerunner gebombt. Weiß nicht, ob es das auch für Polar- und Suunto-Uhren gibt, aber die App ist brillant, die löst alle GPS-Probleme.
Worin die bestehen, hat das Smartphone eines Mitläufers gezeigt. Der hatte da eine Läufer-App drauf. Bei jedem Kilometerschild meldete eine Frauenstimme Rundenzeit, voraussichtliche Endzeit und Pace. Nur meldete sich die Frau je länger das Rennen dauerte immer später. Bei Kilometer 14 betrug die Differenz zum offiziell vermessenen Kilometerstrich schon 200 bis 300 Meter.
Klar, dass dann auch die Pace-Angaben nicht mehr stimmen. Wenn man auf eine Bestzeit aus ist, ist das tödlich, weil man am Ende die eine Minute oder die zwei Minuten Fehlzeit nicht mehr herauslaufen kann. „Racing Screen“ und vergleichbare Apps korrigieren das. Man drückt die Kilometer manuell mit der Lap-Taste ab. Danach werden alle Werte exakt neu berechnet. Das funktioniert auch dann, wenn man ein Kilometerschild übersehen hat und erst beim übernächsten Schild wieder die Taste drückt.
Ich bin von dem Ding begeistert. Unfassbar, dass das die Entwickler von Garmin und Polar nicht schaffen. Der „Racing Screen“ wird mich jedenfalls noch auf vielen Rennen begleiten.
So. Jetzt kommt da das Schild noch 6 Kilometer. Eine nette Veranstalteridee. Ab der Hälfte der Strecke wird auf den Kilometer-Schildern rückwärts gezählt. Das motiviert ungemein. Die Frau mit den Zöpfen habe ich passiert. Jetzt geht es in einer Schleife rechts vom Isarufer weg und retour Richtung Ziel.
Ein Gel sorgt nochmal für einen kleinen Schub. Die Zeit wird sicher besser als in Linz – diese Gewissheit sorgt für Euphorie. Gut ein Kilometer vor dem Ziel wird das inzwischen arg ausgedünnte Feld mit Rockmusik aus Lautsprechern nach vorne gepeitscht. Der Zieleinlauf könnte wirklich großartig sein, wenn hinter den Absperrgittern auch ein paar mitfiebernde Zuschauer stünden.
Ziellinie passiert. Alles gut. Vier Minuten schneller als zwei Wochen in Linz zuvor. Steigende Form, was will man mehr? Beim Stand mit dem Erdinger Weißbier ausnahmsweise kein Gedränge. Kaum habe ich den Becher in der Hand, kommt auch schon der Weiße Keniate mit neuer persönlicher Bestzeit ins Ziel. Sonntage mit miesem Wetter können eben auch richtig schön sein.
Es waren auch noch weitere Schwindegger über die 10-Kilometer am Start:
Heike: 44:12 (Platz 2 AK W45 und Platz 4 gesamt !)
Andrea Lenz: 51:49 (6. W45)
Johannes Onnich: 48:12 (8. M45)
Gesamtwertung Landshut läuft:
Meine Zeit, meine Platzierung, mein Triumph: Unterirdisch, aber steigende Form. Vier Minuten schneller als zwei Wochen zuvor in Linz. Gibt 8 Punkte.
Stadt: Landshut kennt man. Man fährt dahin zum Einkaufen. Den Menschen dort ist das Laufen ziemlich wurscht. Schöne Altstadt. Bei schönem Wetter lässt sich dort gut Kaffee trinken und Eis essen. Bei schlechtem Wetter bleibt die Familie besser daheim. 7 Punkte.
Organisation: Im Vergleich zum Vorjahr verbessert. Der Startschuss fällt jetzt pünktlich und nicht fünf Minuten zu früh. Schön auch das Nachmelden. Geht ohne Warterei und Aufschlag. Der Start war wegen der kurzfristigen Trennung von 10-Kilometer und HM-Läufer etwas chaotisch, aber weitgehend ruckelfrei. Es gibt in Landshaut jetzt auch Pacemaker mit roten Herzen, die laufen aber so schnell. 8 Punkte.
Atmosphäre: Veranstalter geben sich Mühe, für mehr Stimmung an der Strecke zu sorgen. Hat an einigen Stellen gut geklappt. Ansonsten „läuft“ der Läufer in Landshut auf der Straße Gefahr, überfahren zu werden. Passanten schauen einen an, als ob man ein Alien wäre. Mit rheinländischem, hessischem oder Berliner Publikum könnte der Zieleinlauf ein Kracher werden. Die Veranstalter müssten solche Fans halt einfliegen. 6 Punkte.
Strecke: Da gibt es wenig Verbesserungspotenzial. Kein echter Knaller, aber schöne Abschnitte an der Isar entlang. Gut fand ich die letzten Kilometer Richtung Ziel. Mehr Leute an der Strecke könnten für Gänsehaut-Feeling sorgen. Vielleicht sollte man uns mehr durch die Innenstadt laufen lassen, damit das für Zuschauer spannender wird. 7 Punkte.
Verpflegung: Deutlich besser als 2018. Damals gab es auf dem ersten Abschnitt Engpässe bei der Wasserversorgung. Wurde deutlich nachgebessert. Hätte nur etwas mehr Iso sein können. Am Schluss vielleicht sogar Cola. 7 Punkte.
Preis-Leistung: 30 Euro flat ohne T-Shirt sind im Vergleich mit anderen regionalen Läufen saftig. Dafür kein Zuschlag für Nachmelder. Den Lions Club unterstützen wir nicht so gerne. Spenden für Kinder? Das machen doch alle. Einfallslos. Insgesamt durchwachsen. 6 Punkte.
Reiseleitung (Andi W., der Weiße Keniate): Vor dem Start sehr wuschig, nervös. Lief aber persönliche Bestzeit. Weitere Vorzüge: Nimmt einem klaglos im Auto mit, hat keine kulturellen Interessen. Sehr fokussiert auf das Wesentliche. Erst laufen, dann ein After-Run-Bier. 7 Punkte.
Text: Martin