Linz Marathon: Ein Spektakel
Eindrücke und Bewertungen eines Laufwochenendes in Linz.
Der Ober in dem netten Café unweit der Donau hatte es eigentlich nett gemeint. „Laufts jetzt Ihr morgen aaahh den Marradohn? Wanns rögnet, könnt des problemaatisch wörnn.“ Das fragte uns in Linz eigentlich jeder. Unser kleines Laufteam (okay, wir waren nur zu zweit) brachte das in Verlegenheit. Schwindegg hatte an diesem Wochenende vom 13. auf 14 April 2019 quasi seine sportliche Cremé nach Linz geschickt: ein Verletzter (Georg) und ein Untrainierter (Martin).
Georg und ich haben dem Ober, den Schaffnern, den Lokführern, den Hotel-Angestellten und den anderen Läufern auf der Straße und in den Lokalen immer wieder die gleichen Geschichten erzählt. „Ich wäre gerne mitgelaufen. Bin verletzt. Ich werde nie wieder gehen können“ (Georg). Und: „Ich laufe nur Halbmarathon. Konnte im Winter nur Bier trinken. Meine Frau hatte mir die langen Läufe verboten“ (Martin).
Der Ober hat uns schließlich mit mitleidigem Lächeln eine astreine Linzer Torte auf den Tisch gestellt. Generell lässt sich sagen: In Linz ist es nett. Man kommt mit dem Zug problemlos hin. Fahrzeit etwa drei Stunden. Registrierung, Startnummer abholen, und Marathon-Messe am Vortag gehörten natürlich auch dazu. Georg führte sogar ein kurzes Fachgespräch am Garmin-Stand: „Schöne Uhren. Ich werde aber nie mehr gehen können.“
Für Familien interessant: Die Kinderläufe waren in Linz spektakulär. Auf der 400-Meter-Bahn im Linzer Stadion wimmelte es von Nachwuchsläufern. Die Live-Bilder auf der Großleinwand waren beeindruckend. Das Ganze war auch für alte Hasen sehr informativ. Der Moderator fragte die Siegerin des 210-Meter-Laufes für siebenjährige Mädchen: „Und? Woar das jötzt anströngent?“ Antwort: „Ja, voll.“
Ein Höhepunkt des Wochenendes war die Fußweg vom Stadion am Botanischen Garten vorbei Richtung Dom, wo unser Hotel lag. Die Aussicht war wirklich toll. Nette Überraschung am Rande: Vor einer dieser Großbürgervillen stand ein Karton voller Bücher mit der Aufschrift „zu verschenken“. Ich fischte mir eine offensichlich nie gelesene Taschenbuch-Ausgabe von „Unendlicher Spaß“ von David Forster Wallace heraus. Ein großartiger Roman, den ich schon mal als Leihbuch gelesen hatte und mir unbedingt mal kaufen wollte.
Ich fand das beflügelnd. Neben Linzer Torte hatte unsere Reiseleitung (Georg) auch Kulturelles im Programm. Das Lentos Kunstmuseum ist schon rein architektonisch eine Attraktion. In den Innenräumen sah ich zum ersten Mal Orginale von Schiele, Piccasso, Warhol und anderen Künstlern von Weltformat.
Weiterer Höhepunkt unserer Linz-Exkursion war der abendliche Besuch eines Allerwelts-Italieners in der Linzer-Innenstadt. Die Typen an den Tischen um uns rum sahen verdächtig nach Läufern (alle mit neuen GPS-Uhren am Handgelenk) aus. Zuerst schwiegen alle. Ich fragte die zwei Männer am Nebentisch, welche Laufuhren sie tragen. Darauf sind alle Dämme gebrochen.
Läufer wollen eben über die Dinge reden, die ansonsten kein Mensch interessiert. Georg klagte, er werde nie mehr gehen können. Aber uns Gesunde störte das kaum. Wir diskutierten hemmungslos über gute Läufe, Akku-Laufzeiten, Garmin-Apps, Rennerlebnisse und Lebensziele. Ein ostdeutscher Läufer mischte sich auch noch in die Debatte ein: „Bin Biel schon in zehneinhalb Stunden geloofen.“
Georg (Wunderheilung) und ich sind dann noch in eine andere Kneipe gegangen, um Österreich und die Lebensgewohnheiten seiner Einwohner zu erkunden. Aber auch da saßen fast nur Läufer. Johannisbeer-Schorlen, wohin man blickte. Meine Vorbereitung war nicht optimal. Zwei Weißbier, ein Helles, ein Kaiserschmarrn.
Als Zwischenergebnisse des Samstags in Linz halten wir fest: Das Stiegl vom Fass schmeckt tadellos. Kaiserschmarrn, das können sie halt, unsere Nachbarn. Die Frau als solche ist das größte Trainingsrisiko für den männlichen Läufer. Der Wien-Marathon, der eine Woche vor Linz stattfindet, ist für Läufer von Zeiten von 3:30 bis 4:00 Stunden eher schlecht. Da herrscht zu viel Gedränge. Der Freiburg-Marathon soll dagegen super sein. Für GPS-Uhren gibt es eine „Run-Competition-App“, die für die langen Laufwettbewerbe gut sein soll. Es gibt außerdem rund um den Neusiedler See einen schönen Ultralauf über 120 Kilometer. Georg wird nie mehr gehen können.
Dann der Sonntag. Leider konnte in unserem Hotel niemand sagen, wie man möglichst kräftesparend zum Start kommt. „Ieeh stöck inn der Soche nedd so drinnen“, meinte die überforderte Frau an der Rezeption. Dabei bietet ihr Hotel eigens „Marathon-Packages“ für die Veranstaltung an. War aber dann zu Fuß tatsächlich einfacher und kürzer als gedacht. Georg hatte „Ösis“ auf der Straße gefragt.
Der Start selbst ist eine Show. Georg hat davon schöne Bilder gemacht. Tausende von Läufern starten auf einer Autobahnbrücke. Links die Marathonis, auf der rechten Spur die Luschen, die nur Halbmarathon laufen. Und die Viertelmarathoner und Staffelläufer irgendwie dazwischen. Die Videos auf YouTube dürften beeindruckend aussehen. Da waren einige Hubschrauber in der Luft, um das Ganze von oben zu filmen.
Natürlich spielten sie vor dem Start Queens „We are the champions“. Nach der österreichischen Nationalhymne dann der gemeinsam runtergezählte Count-Down und der erlösende Böllerschuß. Der große Vorteil in Linz: Der Start auf der Autobahn sieht nicht nur gut aus, er bringt auch das Feld fast ohne jede Drängelei schnell in den Fluss.
Ich selbst wusste nicht, welches Tempo ich laufen soll. Hatte irgendwie eine Pace von 6:30 oder 6:40 angestrebt. Aber von hinten kam dann der Pacemaker für den Marathon für 4:15 Stunden daher. Ich habe mich dann einfach drangehängt. So ging es Kilometer für Kilomter gut dahin.
In Linz ist auf der Strecke richtig Betrieb. Viele Zuschauer und auch Bands sorgen für Stimmung. Anfeuern, Hände abklatschen, das gibt einem enorm viel Auftrieb. Auch „unser“ Pacemaker, der auch Martin hieß, lief an manchen Stellen voraus, um die Zuschauer zu „La Ola-Wellen“ zu motivieren. Alle geben sich in Linz richtig Mühe, aus dem Lauf ein Erlebnis zu machen.
Sehr gut ferner die Verpflegung auf der Strecke: Die Getränkeausgaben sind lang und immer auf beiden Seiten der Straße. Man verliert so fast keine Zeit, wenn man sich einen oder zwei Becher greift. Irgendwann lief auf der „Pumuckl“ an uns vorbei. Der nahm sich sogar an einer Kneipe Zeit für ein schnelles Bier.
Unser Pacer war super, hat uns toll motiviert. Ich war ob meiner Zwischenzeiten irgendwie euphorisiert. Wir liefen einige Abschnitte auch zwischen 5:35 und 5:45, der Pacer wolle einen Puffer rauslaufen. Hätte nie gedacht, dass ich da schon problemlos mitkomme. Und ja, Gels helfen halt doch.
Im Vergleich zu früheren Jahren haben sie in Linz die Streckenführung deutlich optimiert. Es gibt nur noch ganz wenige Abschnitte, die etwas einsam und öde sind. Gut ist die Dramaturgie. Je näher man dem Ziel kommt, desto lauter und bunter wird es am Straßenrand.
Der Zieleinlauf ist ziemlich perfekt. Man läuft zwei, drei Kilometer schnurgerade auf den Hauptplatz zu. Links und rechts stehen reichlich Leute Spalier. Drei Moderatoren und Live-Musik bringen einen auf Trab. Auch für die Zuschauer im Ziel ist das Ganze ein echtes Spektakel. Sie werden mit Live-Bildern und Luftaufnahmen ständig über den Rennverlauf informiert.
Als Schwachpunkt empfand ich nur den Abschnitt nach dem Zeitnahmebalken. Man bekommt die Finisher-Medaille umgehängt und wird gleich weiter zu den „Labe-Stationen“ geschoben. Dort fand ich die Drängelei unangenehm. Aber vielleicht lässt sich das bei so großen Läufen nicht anders machen.
Gesamtwertung Linz-Marathon:
Meine Zeit, meine Platzierung, mein Triumph: Keine Angaben. Datenschutz.
Stadt: In Linz essen sie Linzer Torte und Kaiserschmarrn. Dazu passt das Stiegl vom Fass nicht. Ansonsten sind die Linzer nett. Schöne Blicke vom Botanischen Garten auf die Stadt. Nett ist es auch entlang der Donau. 8 von 10 paar Laufschuhen.
Die Menschen in Linz: Grundsätzlich nett. Die Busfahrerinnen sind sehr mürrisch. Im Gespräch niemals zugeben, dass man nur Halbmarathon läuft. Der Österreicher (Herminator, Terminator und so weiter) hält eine Verletzung für eine billige Ausrede.
Organisation: Start und Ziel sind nicht identisch. Die Infos sind etwas verwirrend, wie man am Renntag rechtzeitig zum Start kommt. Viele Läufer und auch wir haben uns das am Samstag vorab angeschaut. Es gab auch keine Hinweisschilder, wie man vom Zentrum aus zum Start kommt. Im Ziel und bei der Zielverpflegung gibt es zu viel Gedrängel. Ansonsten alles einwandfrei. 8.
Unterkunft: Die Hotels an sich sind sehr in Ordnung. Nur die Hoteliers sind in der Sache nicht so drinnen. 6.
Atmosphäre: Super Gefühl und tolle Bilder am Start. Viele Stimmungsinseln auf der Strecke. Engagierte Pacemaker. Toll ist das Laufen über die Donaubrücke. Zieleinlauf ist ein Spektakel. Um Lichtjahre besser als der Münchner Stadtlauf. 9
Strecke: Nur einige Abschnitte etwas öde. Ansonsten sehr kurzweilig und viel Action an der Strecke. Auch für langsamere Läufer und Halbmarathon-Beginner super. Man ist nie alleine und kann trotzdem ungehindert seinen Rhythmus laufen. 8
Verpflegung auf der Strecke: Bestens. Alles da, fast kein Gedrängel. Nur Düsseldorf ist noch besser. Da gibt es zu Iso und Wasser auch noch Gels dazu.
Preis-Leistung: In Linz bekommt man sehr viel Veranstalter-Leistung für seine Startgebühr. Top. 9.
Reiseleitung (Georg): Man konnte sich beim Reiseleiter Geld leihen, wenn man die PIN-Nummer der eigenen Kreditkarte vergessen hatte. Das war gut. Totales Versagen beim Ticketkauf für den Stadtbus an der Bushaltestelle. Die Busfahrerin war völlig entnervt und wollte nicht mehr mit uns sprechen. Das führt leider zu Punktabzügen. 5 von 10 paar Laufschuhen.
Text: Martin
Fotos: Georg